Momentaufnahmen

Der Begriff “Momentaufnahme“ ist mittlerweile sehr verpönt auf Pferdeseiten und in Pferdegruppen. Allzu oft wird er als Ausrede abgetan und man unterstellt den Besitzern  viel kritisierter Bilder sehr gerne, dass das gezeigte Bild sehr wohl den gesamten Ausbildungszustand des Pferdes darstellt.

Doch Fotos können täuschen, sehr sogar! Und das in beide Richtungen. Ein gut reell ausgebildetes Pferd sieht niemals auf jedem Bild super aus, es gibt immer Bewegungsphasen die sehr unvorteilhaft sind für Pferd und Mensch. Kein Pferd läuft von Anfang bis Ende perfekt.

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Faxe bei der Landung. Diese Phase ist immer etwas unvorteilhaft fürs Pferd.

Genauso kann ein Pferd aber auch mit unfairen Mitteln gearbeitet werden, egal ob psychisch oder physisch oder zum Beispiel schlecht bemuskelt sein, es wird bei genügend Bildmaterial auch immer wieder ganz nette Bilder geben auf denen die Probleme kaum bis gar nicht auffallen. Ausgenommen sind hier natürlich alle offensichtlichen, größeren Probleme, die nichts mit dem gezeigten Bewegungsablauf des Pferdes zu tun haben.

Und nicht zuletzt können Bilder natürlich auch bearbeitet sein. Ein gesamter Bewegungsablauf wird wohl kaum geändert, auch Taktfehler können nur schwer retouchiert werden, aber fehlendes Fell von Sporeneinsatz oder scheuernder Decke lässt sich schnell korrigieren. Oder es werden Stricke, Zügel, Zaumzeuge, Zäune entfernt, so dass der Eindruck entsteht, das Pferd wäre frei.

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Gerader Hals, auseindergefallen, vorhandlastig… kein überzeugendes Bild für die Doppellongenarbeit!

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Nur einen Galoppsprung später sieht das aber schon wieder ganz anders aus.

Natürlich möchte sich jeder gerne gut präsentieren, besonders im Internet. Man wird sehr leicht zur ungewollten Zielscheibe für andere, dabei sollten wir Fotos nie überbewerten, denn sie zeigen nur sehr selten die Wirklichkeit! Besonders zu Zeiten in denen fast jeder mit einer Spiegelreflexkamera Serienaufnahmen erstellt ist die Wahrscheinlichkeit, bei vielleicht fast 1000 Bilder pro Arbeitseinheit, 1-3 schöne, vorzeigbare Bilder dabei zu haben sehr hoch, egal wie mies das Pferd eigentlich aussieht und wie schlecht man mit ihm arbeitet.  Menschen die allerdings mit dem Handy selbst schnell ein schönes Foto machen möchten, sind geradezu benachteiligt auf diesem Gebiet. Es gehört schon fast Glück dazu auf diesem Weg ein tolles Foto zu bekommen, egal wie toll und schön das Pferd heute mitarbeitet.

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Fleißig und sehr bemüht um eine korrekte Haltung streckt sich Faxe an die Doppellonge.

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Doch schon einen Schritt später wirkt es durch die ungünstige Bewegungsphase schwunglos vor sich hin geschlurft.

Ich finde Fotos eine tolle Möglichkeit das eigene Auge zu schulen für korrekte, wünschenswerte Bewegungsabläufe und Muskelarbeit. Zudem erfüllen sie ihren eigentlichen Zweck, auch Jahre später noch tolle Erinnerungen für uns selbst zu sein, natürlich super und jeder freut sich wohl über schöne, süße, lustige Fotos vom eigenen Pferd und teilt diese auch gerne. Aber viel mehr sollten sie dann auch nicht sein. Man muss nicht so viel Energie darauf verwenden in eigene und vor allem fremde  Bilder die unmöglichsten Sachen hinein zu interpretieren und daraus dann auch noch weitere Rückschlüsse zu ziehen. Fotos stellen einen ganz kleinen Moment dar, meist nur den Bruchteil einer Sekunde, das sollte man beim Betrachten nie vergessen! Damit würden wir uns selbst und allen anderen Beteiligten viel Stress ersparen.

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Viel unvorteilhafter kann ein Galopp kaum dargestellt werden. Die Bewegungsphase ist sehr ungünstig gewählt, noch dazu arbeitet das Pferd zu dieser Zeit nicht schön über den Rücken, sondern tobt in etwas zu hohem Tempo über den Platz. Daraus aber einen Senkrücken und damit ein eigentlich unreitbares Pferd zu schließen wäre völlig übertrieben!

6 Gedanken zu “Momentaufnahmen

  1. […] viele Bilder direkt hintereinander zu machen. Dadurch werden die Chancen auf schöne Bilder in guten Bewegungsabläufen deutlich erhöht. Beim Springen möchten Reiterinnen beispielsweise gerne die Absprungs- oder […]

  2. […] kei­nen Platz, auch nicht bei der Arbeit mit unse­ren Pfer­den. Nicht alles ist immer gleich schwarz oder weiß. Es sind die Zwi­schen­tö­ne, die es aus­ma­chen, die wir zulas­sen soll­ten, um nicht immer […]

  3. Liebe Lina,
    ein sehr schöner und wichtiger Beitrag zum Thema “Pferdefotografie”! Ich würde mir wünschen, dass sich gerade die ganz großen Kritiker und Analytiker in diversen sozialen Medien Deinen Beitrag zu Herzen nehmen. Denn schließlich sind Fotos doch genau dazu da: um einen MOMENT einzufangen. Eine “Überinterpretation” führt diesen Umstand geradezu ad absurdum. In diesem Sinne: Ran an den Fotoapparat und den Moment genießen 😉 !

  4. […] die Vorhandlastigkeit zu lange am Boden und kommen nicht rechtzeitig wieder nach vorne weg. Auf Momentaufnahmen kann man das oftmals sehr gut erkennen, durch einen mehr oder weniger ausgeprägten Taktfehler. […]

  5. […] einiger Zeit haben wir uns bereits mit Taktfehlern in Momentaufnahmen auseinander gesetzt. Nun möchte ich anhand einiger Beispiele die verschiedenen Auswirkungen der […]

  6. […] Fotos hier sehr eindeutig, weswegen es sich als Beispiel gut eignet.  Vorweg noch: natürlich sind Fotos nur Momentaufnahmen und dürfen nie überbewertet werden. Sollte man in Bewegung aber das gleiche erkennen oder aber […]

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