In diesem Beitrag möchte ich euch das Buch „Gutes Training schützt das Pferd – schonende Ausbildung nach osteopathischen Grundsätzen“ von Barbara Welter-Böller und Maximilian Welter° vorstellen. Es ist mir freundlicherweise vom Cadmos-Verlag zur Verfügung gestellt worden.
Zuerst werden kurz die Grundsätze der Osteopathie nach dem Entwickler Andrew Taylor Still erklärt. Danach folgt anatomisches Basiswissen rund ums Pferd und die biomechanischen Bewegungsmuster.
Schon da wird toll dargelegt, wie faszinierend ausgeklügelt und effizient die Natur das macht. Das Buch enthält viel wichtige Theorie in Anatomie. Es wird aber alles sehr gut erklärt und lässt sich erfrischend leicht lesen. Auch ohne große Vorkenntnisse kann man den Erklärungen folgen und ein großer Anhang mit anatomischen Zeichnungen vervollständigt das.
Danach wird ausführlich darauf eingegangen, welche Auswirkungen das Reiten und Manipulationen an der Bewegung des Pferdes haben.
„Die physiologische Haltung des Pferdes ist die grasende und ruhende Haltung. Alle anderen Haltungen können nur durch ein gezieltes Training erarbeitet werden, bei dem die Strukturen immer wieder Zeit zur Regeneration und Anpassung haben.“ Zitat aus dem Buch, das es sehr schön zusammenfasst.
Was macht schonendes Pferdetraining also aus? Dieser Frage gehen die Autoren in den nächsten Kapiteln auf den Grund. Es wird ein periodisches Training empfohlen, was im Schnitt nur alle drei Tage ein intensiveres Training vorsieht. So haben alle Strukturen im Körper genug Zeit sich zu erholen und aufzubauen. Pausen sind dabei genauso wichtig, wie das Training selbst.
Die nachfolgenden Kapitel geben tolle, konkrete Trainingsideen für Koordination, Ausdauer und Kraft und erklären, weswegen die einzelnen Bereiche zunächst getrennt trainiert werden sollten.
Daran anschließend gibt es viele Empfehlungen für Trainingspläne, angepasst an den unterschiedlichen Ausbildungsstand des Pferdes und seiner sportlichen Nutzung.
Vervollständigt wird das Trainingsprogramm durch ein großes Kapitel über Faszien und das Faszientraining für Pferde. Ein bisher völlig unterschätzter Teil des Trainings.
Die Autoren gehen sehr genau auf Trainingshäufigkeiten und Intensität einzelner Strukturen im Pferd ein. Es erinnert mich an den Buchtitel „Anatomie verstehen – besser Reiten“, ohne die Inhalte beider Bücher vergleichen zu wollen. Der Titel hätte auch gut zu diesem Buch gepasst!
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Exterieurbeurteilung und Ganganalys nach osteopathischen Gesichtspunkten. So kann jeder interessierte Pferdebesitzer selbst eine Analyse des ist-Zustandes seines Pferdes machen und bekommt bereits zahlreiche Erklärungen und Trainingsmöglichkeiten, wenn Probleme auffallen.
Auch die natürliche Schiefe des Pferdes wird besprochen und erklärt warum die meisten Pferde nach rechts schief sind. Der Blinddarm ist „schuld“. Wenn man solche wichtigen anatomischen Gründe einmal verstanden hat, lässt sich das Training viel sinnvoller aufbauen und die Tipps zur richtigen Geraderichtung besser umsetzen.
Die korrekte Dehnungshaltung erhält als Fazit der gesamten anatomisch, biomechanischen Erklärungen eine sehr große Bedeutung für das Grundlagen- und Aufbautraining. Dabei wird auch erklärt, warum ein „laufen auf der Vorhand“ für dieses Training nicht schlimm, wenn nicht sogar notwendig ist.
Abschließend wird auf die Reiterhilfen und ihre sinnvolle Verwendung eingegangen. Probleme des Reiters haben auch immer Auswirkungen auf das Pferd. In diesem Kapitel wird mit vielen, einfachen aber sehr aufschlussreichen, Selbstversuchen gezeigt, wie man eigene Schwächen herausfinden und verstehen kann. Auch ein gut passendes Equipment für das Pferd und Probleme mit der Sattelanpassung werden besprochen.
Für mich war das Buch eine echte Bereicherung, weil ich wirklich nochmal neue Erkenntnisse aus den anatomischen Grundgegebenheiten des Pferdes verstanden habe. Warum werden manche Pferde gefühlt immer schneller, auch wenn ihnen die Kraft ausgeht. Wie erarbeite ich die allen bekannte Ausbildungsskale denn wirklich und wie lange dauert sowas auch realistisch aufgebaut. Warum sollte man in Trainingseinheiten einen Fokus auf Koordination, Kraft oder Ausdauer legen und nicht alles gleichzeitig mit dem jungen oder untrainierten Pferd trainieren.
Daher möchte ich das Buch „Gutes Training schützt das Pferd“° jeder Reiterin empfehlen, die selbstständig – also ohne Trainerin an ihrer Seite – mit ihrem Pferd arbeitet und es möglichst lange, gesund und schmerzfrei reiten möchte.