Mehr Nachhaltigkeit für Pferdemenschen

Die Begriffe Nachhaltigkeit und Achtsamkeit sind in den letzten Jahren fast zu einem Trend geworden. Ich finde das sehr schade, denn so verkommen sie oftmals nur noch zu hohlen Floskeln oder gar etwas negativem. Dabei beschreiben sie eigentlich sehr wichtige Sachen, sowohl für uns selbst, als auch für unsere Umwelt. Doch wie genau kann ich eigentlich den eigenen Konsum rund ums Pferd nachhaltig und umweltschonend gestalten?

Petra von der Pferdeflüsterei hat einen eigenen Online-Shop eröffnet, der sich diese Begriffe zum Leitbild gemacht hat. Was das genau bedeutet hat sie mir in einem Interview verraten:

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Hallo Petra,

vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein kleines Interview mit mir nimmst!

Petra: Sehr gerne! Ich freue mich, dass du mich gefragt hast.

Magst du dich, dein Pferd sowie deinen Blog und Shop kurz vorstellen?

Petra: Dann fange ich mit der wichtigsten Persönlichkeit an – mein Pferd. Carey. Eine junge Quarterstute. Sie stammt aus Andalusien – ich habe sie bei einem Urlaub auf der Hacienda Buena Suerte der Dyslis kennengelernt und mich sofort verliebt. Damals war sie knapp 1,5 Jahre alt. Rotzfrech, neugierig und zuckersüß. Wie das so ist mit der Liebe – man muss ihr folgen. Ich habe mich sehr spontan dazu entschlossen, dass sie zu mir gehören soll und Teil unsere Familien wird. Dann stand sie dort 2 Jahre, weil sie im Herdenverband aufwachsen sollte und seit etwas über einem Jahr ist sie endlich bei mir. Sie ist dominant, fein, introvertiert, frech, Tochter einer Leitstute, hat eigene Ideen und Forderungen und sie ist mein Herzenspferd. Mit all ihren wunderbaren Ecken und Kanten. Ich selbst bin überzeugte Öko-Lady, Journalistin beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Umwelt-Redaktion, Vegetarierin, durch und durch tierlieb und immer auf der Suche nach Wissen, Lachen und Leichtigkeit. Das Leben soll ja Spaß machen – gleichzeitig finde ich wichtig, dass wir achtsam mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen umgehen. Und bevor die Antwort nun ellenlang wird – noch kurz zum Blog: Da kommt letztlich alles zusammen, was mir wichtig ist. Ich wünsche mir einen sanften und respektvollen Umgang mit den Tieren, bewussten Konsum und eine artgerechte Haltung. Ich finde, dass es unsere Pflicht als Tierhalter ist, uns mit der Psychologie unserer Tiere und ihren Bedürfnissen auseinanderzusetzen, damit sie sich wohl fühlen können bei uns und mit uns. Dafür mache ich Interviews mit sanften Pferdeexperten, schreibe meine eigenen Erfahrungen und Tipps auf und recherchiere gutes und gesundes Futter. Darüber schreibe ich in der Pferdeflüsterei.

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„Nachhaltigkeit“ ist ein Begriff, der dir sehr am Herzen liegt. Was genau bedeutet Nachhaltigkeit für dich?

Petra: Ich finde, dass wir einen wunderschönen Planeten haben, den wir uns bewahren und schützen sollten. Das klingt jetzt erstmal kitschig, aber eigentlich ist es ganz banal. Nachhaltig zu leben bedeutet für mich achtsam und bewusst zu leben. Nachhaltigkeit ist natürlich im Idealfall eine faire und biologisch verträgliche Produktion und hat ganz viele Facetten. Es bedeutet zum Beispiel auf das Tierwohl zu achten, die Menschenrechte zu bewahren, ökologisch korrekt zu färben und so natürlich wie möglich zu leben. Jeder einzelne Aspekt ist Nachhaltig. Weil ich kein Öko-Fanatiker bin, versuche ich im Alltag überall dort wo es geht, darauf zu achten, dass einzelne oder alle Aspekte erfüllt sind. Ich habe immer einen Thermo-Becher dabei für den Coffee-To-Go, ich kaufe bei Bio und Fairtrade Labels meine Klamotten, ich kaufe Fleisch für Gäste nur beim Demeter-Metzger, Kosmetik ohne Tierversuche von einem veganen Label und so weiter. Das kostet mich ein bisschen Zeit und vielleicht auch ein bisschen mehr Geld, aber dafür habe einfach weniger. Läden wie Primark betrete ich nicht, sie machen mich wütend. Aber natürlich gehe ich auch mal in einen normalen Supermarkt, wenn ich es mal nicht zum Reformhaus schaffe. Es soll ja nicht in Stress ausarten. Wenn jeder so ein kleines bisschen nachhaltiger leben würde und ein bisschen auf seinen Konsum achten würde, wäre schon einiges getan.

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Rund um das Thema Nachhaltigkeit fallen mir viele Schlagworte ein wie Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Umweltschutz bei Gerberei oder Palmöl, Biozertifikate,  Tierschutz mit Leder und Fellen und vieles mehr. Oftmals kann man nicht alles unter einen Hut bringen, wie zum Beispiel ein kompletter Verzicht auf Lederprodukte am Pferd. Wie gehst du mit diesem Problem um?

Petra: Das klingt jetzt vielleicht hart – aber auch da bin ich pragmatisch-ökologisch. Ich habe auch Lederprodukte – dann wenn sie einfach besser für mein Pferd sind. Es bringt ja auch nichts alles in veganem Plastik zu haben, wenn die Qualität nicht stimmt und ich alle drei Jahre ein neues Produkt kaufen muss. Dann erhöhe ich nur die Müllberge. Oder wenn dann zum Beispiel der Sattel reibt. Oder das Zaumzeug. Wenn ich aber eine vegane Alternative finde, die genauso gut ist – dann nehme ich lieber die Vegan-Version. Wenn ich aber Ledersachen kaufe, dann achte ich sehr darauf, dass die Produktion stimmt. Zum Beispiel das Leder pflanzlich gegerbt wird und nicht mit umweltschädliche Chrom oder das Label im besten Fall sogar auf das Tierwohl der Tiere achtet, die ihr Leder geben mussten. Kalbsleder zum Beispiel – würde ich nie kaufen. Die Tiere sollten doch wenigstens ein Leben haben. Oder Billig-Lederware aus Ländern, bei denen von vorneherein klar ist, dass die Tiere sicher kein gutes Leben hatten. Aber jeder Lederkauf ist bei mir immer eine bewusste Entscheidung.

Hast du Tipps für die Leser, woran man eine vernünftige Lederproduktion erkennen kann?

Petra: Das ist ganz schwierig. Also erstmal kann man auf die Art der Gerbung achten. Wenn es vegetabile Gerbung ist, ist das schon mal super. Oder zumindest eine Gerbung die so weit es geht auf Chrom verzichtet. Viele Firmen geben aber gar nichts dazu an. Dann muss man nachfragen – manchmal ist das aber schon ein Zeichen dafür, dass die Gerbung klassisch mit Chrom passiert, wenn gar nichts da steht. Dann kann man natürlich auf Bio-Zertifikate achten. In Sachen Tierwohl ist das deutlich schwieriger. Da muss man wirklich nachfragen bei den Firmen oder in den Beschreibungen suchen. Es ist ein bisschen Fissel-Arbeit, herauszufinden, wie es um das Leder bestellt ist.

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Nach welchen Kriterien wählt ihr eure Produkte für den Shop aus? Was ist dir dabei besonders wichtig?

Petra: Erstmal ist mir wichtig, dass die Sachen Pferdegerecht sind. Also Zaumzeuge müssen gut sitzen und im Idealfall anatomisch geformt. Die Reitpads brauchen ein gutes integriertes Stützsystem. Oder Futter muss auf jeden Fall Zucker-, Aroma- und Konservierungsstoff-frei sind. Die ganzen Leckerli zum Beispiel, die wir haben, sind Getreidefrei und aus natürlichen Stoffen. Oder unsere Kräutermischungen, die zum Teil Arzneibuchqualität haben oder von Bioherstellern sind. Das macht mich selbst jedes Mal richtig happy, weil ich weiß, dass das alles gute Sachen sind, die den Pferden gut tun werden. Im Idealfall sind die Sachen Bio und Umweltschonend produziert und wir achten darauf, dass alles von Herstellern aus Deutschland oder Europa ist, die dann nach europäischen Standards produzieren. Ich suche auch viel, um kleine Hersteller und Labels zu finden. Das macht dann richtig Spaß mit den Menschen, die hinter den Labels stecken, neue Produktideen zu entwickeln und zu wissen, dass die Sachen unter guten Bedingungen entstanden sind. Zum Beispiel unsere Pferde-Fashion. Das ist alles Fairtrade, aus Biobaumwolle und nachwachsenden Rohstoffen wie Eukalyptusfasern – von Hand bedruckt von einem superjungen und kreativen Siebdruck-Label aus Stuttgart. Ich finde, dass weniger mehr ist. Alles, was im Shop landet, habe ich selbst, habe es getestet oder kenne das Label sehr gut. Wenn sich die Kunden dann freuen und uns begeistert schreiben, bin ich jedes Mal wieder richtig happy.

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Wie kann jeder von uns mehr Nachhaltigkeit rund ums Pferd konkret umsetzen? Worauf sollte man besonders achten?

Petra: Soll ich dir mal von meiner letzten Horror-Erfahrung erzählen? Die Eurocheval. Überall dieser Geruch nach billigem Plastik und scharfen Gerbstoffen bei den Ledersachen. Die Menschen mit Massen von Tüten – Plastikbürsten für 2 Euro und Lederhalfter für 15 Euro. Hauptsache viel. Das finde ich erschreckend. Dass du auf so einer Pferdemesse anatomisches Zubehör und hochwertige Sättel oder gesunde Leckerli regelrecht suchen musst, aber ein Stand neben dem anderen aromatisierte Zuckermüsli zum Schnäppchenpreis anbietet. Nachhaltiger wäre auf Bio-Kräuter-Müslis zu setzen – die sind nachhaltig in der Produktion und nachhaltig gesund für das Pferd. Nachhaltiger wäre auch statt 20 Schabracken zu kaufen, lieber ein richtig gutes Zaumzeug und einen genialen gut sitzenden Kappzaum zu besitzen. Das fängt also beim Konsum an – was hat man so in der Sattelkammer, wieviel braucht man wirklich und macht es nicht viel mehr Sinn drei gute und umweltschonend produzierte Sachen zu besitzen, als 30 billige. Egal ob es um die Fütterung geht, das Zubehör oder die eigenen Klamotten. Weniger ist mehr, Klasse statt Masse und immer mal nachfragen, wie das Label eigentlich produziert, das man kaufen will. Teuer – bedeutet nicht immer nachhaltig. Das bedeutet ein bisschen Recherche und Eigeninitiative, aber es lohnt sich total. Die Sachen halten länger, sind schöner, robuster und dazu weiß man, dass Natur und Menschen nicht leiden mussten, damit wir sie in der Sattelkammer hängen haben. Das macht nämlich auch glücklich.

Einen Beitrag von mir rund um das Thema Konsum findest du >hier<.

Hast du noch einen besonderen Tipp für die Leser?

Petra: Oh Mann, nachdem ich ja in der letzten Antwort sehr nach „erhobenem Zeigefinger klang“ 😉 Ich würde sagen – und das ist jetzt wirklich nicht besonders konkret – seid gut zu euch und euren Pferden. Gönnt euch Qualität und gönnt euren Pferden gutes Futter und eine gute Zeit mit euch. Schnuppert mal an den Kräutern, die ihr dem Pferd gebt, schaut ihm auf der Weide zu, setzt euch ins Heu und genießt die Sonnenstrahlen. Kurz: Habt Spaß und seid bei aller Nachhaltigkeit nicht zu dogmatisch. Wenn wir mit einem Lächeln durch die Welt gehen, wird das Leben schöner, die Welt schöner und die Zeit mit den Pferden so viel leichter und glücklicher. Das macht nachhaltig betrachtet – unglaublich zufrieden.

Vielen Dank für die Zeit, die du dir genommen hast und deine ausführlichen Antworten! Es ist toll zu hören, dass immer mehr Menschen umdenken und zurück zur Basis kommen. Zurück zu einem achtsamen Umgang mit der Natur und ihrer Umwelt.

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Tolle nachhaltige und sorgsam ausgewählte Produkte rund ums Pferd findet ihr in Petras Pferdeflüsterei-Shop, vorbeischauen lohnt sich auf jeden Fall!

Wie schwer es mir fällt, mich auch im Pferdebereich auf meine gewünschten Werte und Ziele zu besinnen, habe ich in diesem Artikel bereits beschrieben. In anderen Lebensbereichen und meinem private Alltag dagegen hat sich das schon lange etabliert. Ich bin aber überzeugt davon, solang wir immerzu versuchen die bestmögliche Lösung für unsere Pferde, die Natur und uns selbst zu finden, sind wir auf einem guten Weg.

Vielen Dank für das Interview!

Ein Gedanke zu “Mehr Nachhaltigkeit für Pferdemenschen

  1. […] mich hat diese Form des Minimalismus auch viel mit mehr Nachhaltigkeit auf ganz verschiedenen Ebenen zu tun. Ein Thema mit dem ich mich auch in den Bereichen rund ums Pferd in Zukunft gerne intensiver […]

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