Wir stecken mitten im Herbst und wie jedes Jahr gehen die gleichen Fragen um: Soll ich mein Pferd scheren? Welches Muster soll es geschoren bekommen? Sollte ich es lieber eindecken? Wie warm muss die Decke sein?
Doch alle diese Probleme resultieren eigentlich nur aus einem menschengemachten Teufelskreis heraus! Ein gesundes Pferd muss weder geschoren, noch ein halbes Jahr lang eingedeckt werden. Wenn Pferde die Möglichkeit bekommen, naturnah zu leben, kommen sie mit Kälte und Nässe normalerweise sehr gut zurecht.
Dazu sind aber einige Faktoren wichtig, die wir uns genauer ansehen sollten:
Haut und Fell
Die Haut der Pferde, zusammen mit der Körperfettschicht darunter, ist eine super Isolation. Das Körperfett ist recht gering durchblutet, wodurch nur wenig Wärme verloren geht. Es ist daher auch ganz natürlich, dass Pferde im Herbst etwas an Gewicht zunehmen. Dieses Fett wird gleichmäßig über den Pferdekörper verteilt und nicht als dicker Gras- oder Heubauch mit sich herumgetragen.
Eine weitere dicke Isolationsschicht bildet das Fell. Gesunde Pferde wechseln zwei Mal im Jahr ihr Fell. Der Beginn des Fellwechsels ist von der Tageslichtmenge abhängig und damit unabhängig von den Temperaturen. Die Temperaturen beeinflussen dann allerdings die Länge und Dicke des Fells.
Das Winterfell besteht aus langen Oberhaaren und einer dichten Unterwolle. Zusätzlich schützt eine fettige Schicht im Fell, die sogenannte Talgschicht, die Haut vor Nässe. Werden Pferde täglich ausgiebig gebürstet oder sogar gewaschen, wird diese natürliche Schutzschicht aber vermindert bis zerstört.
Mit ihrem Fell können Pferde zusätzlich noch gezielt ihren Wärmehaushalt beeinflussen. Durch das Aufstellen der einzelnen Haare vergrößert sich das Luftpolster dazwischen und die Isolationsschicht wird größer. Ein Anlegen der Haare bewirkt das Gegenteil, das Pferd verringert dadurch die Isolation und der Körper kann mehr Wärme abgeben.
Wird ein Pferd nun aber eingedeckt, ist das Fell durch die Decke platt gedrückt und die natürliche Regulation funktioniert nicht mehr. Ein eingedecktes Pferd ist demnach vollkommen abhängig von der Wärme seiner Decke. Ist sie zu dünn, kann es sich nicht mehr selbst durch das Aufstellen des Fells helfen.
Sandiges, dreckiges Fell und eine Schneeschicht schützen zusätzlich und müssen nicht von uns entfernt werden. Verklebtes trockenes Fell, zum Beispiel nach starkem Schwitzen, freut sich aber über eine kleine Bürstenmassage, um danach wieder optimal vom Pferd genutzt werden zu können.
Wird das Pferd geschoren, nimmt man ihm die gesamte natürliche Wärmeregulation über das Fell.
Einen sehr informativen Beitrag über Haut und Fell des Pferdes findest du bei Lenina01.
Durchblutung und Schwitzen
Auch über die Durchblutung können Pferde ihren Wärmehaushalt regeln. Arterien können verengt werden, wodurch dort weniger Blut innerhalb einer bestimmten Zeit hindurch fließen kann. Dadurch kann zum Beispiel ein Auskühlen über die Hautoberfläche verhindert werden. Umgekehrt kann dieser Effekt aber auch zur gezielten Kühlung genutzt werden. Hierfür wird mehr Blut durch die äußeren Gewebeschichten geleitet und mithilfe der Außentemperatur herunter gekühlt.
Die Schweißdrüsen helfen ebenfalls beim Kühlen. Die produzierte Flüssigkeit verdunstet auf der Haut und senkt damit die Temperatur. Im Zusammenspiel mit der Durchblutung eine sehr wirksame Methode, die neben Pferden nur sehr wenig Tiere so perfekt über den Körper verteilt beherrschen. Allerdings belastet Schwitzen den gesamten Stoffwechsel des Pferdes stark.
Sind Pferde nun aber zu warm eingedeckt und schwitzen unter ihrer Decke, kann die Flüssigkeit nicht ausreichend verdunsten. Selbst bei den extra atmungsaktiven Decken ist das kaum möglich. Die Feuchtigkeit kondensiert direkt unter der Decke und das Pferd steht mit einer nassen Decke da. Wird die Temperatur nun wieder geringer, kühlt das Pferd schnell aus.
Fütterung
Die naturnahste Ernährung des Pferdes ist gutes Rauhfutter, vor allem Heu. Das spielt auch beim Wärmehaushalt eine wichtige Rolle, denn nur durch eine kontinuierliche Rauhfutteraufnahme läuft der Stoffwechsel des Pferdes optimal.
Ein wichtiges Nebenprodukt der Verdauung und des gesamten Stoffwechsels ist Wärme. Der Körper erzeugt bei diesem Vorgang ganz von alleine immerzu Wärme. Pferde können große Kälte demnach auch durch eine gesteigerte Rauhfutteraufnahme ausgleichen, sofern ihnen ausreichend zur Verfügung steht. Ein weiterer großer Punkt, der für eine (gut gemanagte) unbegrenzte Heufütterung spricht.
Bewegung
Auch die Bewegung des Pferdes spielt beim Wärmehaushalt natürlich eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt, da sie meist der Anstoß des menschengemachten Problems ist.
Wildpferde bewegen sich im Winter weniger. Dadurch sparen sie viel Energie ein, die nicht noch zusätzlich neben Wärme und Stoffwechsel vom Körper bereitgestellt werden muss. Auch minimiert sich dadurch das Risiko zu schwitzen und danach auszukühlen.
Allerdings kann starke Kälte auch mit kurzer, intensiver Bewegung kurzfristig kompensiert werden, um die Zeit zu überbrücken, bis die anderen Wärmeregulatoren wie Fell, Durchblutung und der Stoffwechsel durch erhöhte Rauhfutteraufnahme ausreichend helfen.
Wenn das alles nicht hilft oder das Pferd in seinen Möglichkeiten eingeschränkt ist, weil es sich beispielsweise nicht frei bewegen kann oder kein Rauhfutter zur Verfügung hat, kann der Körper durch Zittern aufgewärmt werden. Das ist aber normalerweise wirklich die letzte Variante, die ein Pferd zur Wärmeproduktion nutzt.
Nun möchte der Mensch das Pferd aber auch im Winter gerne „nutzen“ und stößt damit eine Kettenreaktion los. Bei normaler Trainingsintensität schwitzt das Pferd mit Winterfell meist erheblich schneller und ist durch die starke Belastung des Stoffwechsels weniger leistungsfähig. Zudem trocknet das durchgeschwitzte Winterfell sehr langsam und das Pferd könnte sich nach dem Training leicht verkühlen.
Daher wird nun nach Lösungen für die Probleme gesucht. Zum Thema Eindecken wurde bereits oben etwas gesagt, aber wie sieht es mit dem Scheren aus?
Ein komplett geschorenes Pferd hat keinerlei Möglichkeit mehr, seinen Wärmehaushalt über das Fell selbst zu regulieren. Dazu wird es normalerweise eingedeckt und ist dann komplett abhängig von der gewählten Wärme der Decke.
Wichtig zu wissen ist, dass Pferde zwar wunderbar ihren Wärmehaushalt regeln können, aber dabei immer der gesamte Körper erwärmt oder gekühlt wird. Ein eingedecktes Pferd kann also nicht explizit nur Beine, Hals und Kopf selbstständig erwärmen und den Rest durch die Decke abdecken lassen. Es kommt also immer in die Zwickmühle, entweder die uneingedeckten Körperteile auf die richtige Wärme zu bringen, dabei aber unter der Decke zu überhitzen, oder aber den eingedeckten Körper in der passenden Wärme zu haben, aber an Hals, Beinen und Kopf auszukühlen.
Ähnliches passiert, wenn das Pferd nur teilweise geschoren wird. Sollte es zudem eingedeckt sein, erfolgt genau das gleiche wie oben beschrieben, da das Fell von der Decke platt gedrückt wird. Ist nur ein schmaler Streifen am Hals oder von Hals bis Schweif weggenommen worden, können die Pferde zwar meist ohne Decke bleiben, aber das Problem der unterschiedlichen Wärmezonen bleibt bestehen. Der geschorene Teil verliert viel Wärme, weswegen das Pferd seinen Körper erwärmt und die ungeschorenen Stellen dadurch zu warm werden.
Sicherlich gibt es auch Temperaturen in denen das Problem für den Pferdebesitzer nicht auffällt. Pferde haben ein weites Spektrum als Wohlfühltemperatur und die Pferde wirken mit einer Teilschur erleichtert. Wie hoch die Belastung für den Stoffwechsel jeweils genau ist, lässt sich ihnen nicht ansehen und wirklich deutlich erkennbar wird es für uns Menschen erst am Rande der Wohlfühltemperatur.
Mehr zum Thema Kälte-Empfinden bei Pferden kannst du in diesem Beitrag nachlesen.
Der nette Effekt des Scherens ist, dass die Pferde erheblich schneller trocken sind. Das ist allerdings nicht auf einen besseren Wärmehaushalt, sondern lediglich auf das kürzere Fell zurück zu führen.
Fazit zum Eindecken und Scheren
Mein Fazit dieser ganzen Theorie: Ein gesundes Pferd in natürlicher Haltung muss weder dauerhaft eingedeckt, noch geschoren werden. Allerdings erfordert es von uns Menschen Rücksichtnahme.
Müssen wir im Winter wirklich so intensiv trainieren? Kann die Bewegung des Pferdes nicht ein wenig auf seine Bedürfnisse angepasst werden? Das bedeutet zum Beispiel zwischendrin längere Schrittpausen am langen Zügel einzubauen, damit das Pferd sich erholen und runterkühlen kann. Oder auch ausreichend Zeit zum Trockenreiten oder -führen einzuplanen, am besten außerhalb der Reithalle, mit einer Fleecedecke über den Nieren und frischer Luft zum Trocknen.
Wichtig ist das Zusammenspiel aller Faktoren: ein normal ausgeprägtes Winterfell, eine nicht unnötig überpflegte Haut, ein gesundes Gewicht, eine angepasste Bewegung und ausreichend Rauhfutter. Dazu kommt viel frische Luft und freie Bewegungsmöglichkeit, um dem Pferd überhaupt die Möglichkeit zu bieten, seinen Wärmehaushalt selbst zu regeln.
Oftmals scheitert es an einem oder mehreren dieser Faktoren, wodurch Pferdebesitzer in einen Teufelskreis geraten. Das kann sowohl an der Haltung, als auch an der Nutzung des Pferdes liegen. Ausdrücklich ausgenommen aus all diesen Überlegungen sind kranke oder sehr alte Pferde!
Grundsätzlich möchte ich niemanden vor den Kopf stoßen mit diesem Artikel! Es muss sich auch niemand genötigt fühlen, sich zu rechtfertigen. Ich selbst habe es jahrelang anders gehandhabt!
In erster Linie wollte ich ausführlich begründen, weswegen meine Ponys dieses Jahr wohl ohne Schur und Decke bleiben werden. Wobei auch ich mir Ausnahmen vorbehalte, zum Beispiel wenn Faxe deutlich sichtbar leiden würde, wenn unser Winter viel zu mild für sein gigantisches Winterfell bleiben würde. Oder sie stundenweise mit einer Regendecke eindecke, wenn es tagelang durchregnet bei Minustemperaturen und Offenstall.
Es bleibt am Ende doch auch immer entscheidend, wie es dem eigenen Pferd im Detail geht. Sowas kann nie allgemein vorhergesagt werden und muss von jedem im Einzelfall selbst beurteilt werden. Dazu gehört es in meinen Augen aber auch, sich ausführlich zu informieren! Sowohl wenn der 32-Jährige Rentner im Offenstall „noch nie eine Decke gebraucht hat“, als auch „wenn alle Pferde im Stall immer am 1. Oktober komplett geschoren werden“.
Wir greifen so stark in das Leben unserer Pferde ein, da sind wir gezwungen uns mit ihren Bedürfnissen auseinander zu setzen. Wir tragen die Verantwortung für sie, dazu zählt auch, sie bestmöglich zu versorgen. Solltet ihr also bereits eingedeckt oder geschoren habe, oder es aus irgendwelchen Gründen noch vorhaben, seid euch dem damit eingegangenen Mehraufwand und der nötigen Sorgfalt bewusst. Die Decke muss immer passend zur Temperatur sein, die meist nachts kühler als tagsüber ist und in der Box anders als in der Sonne auf dem Paddock. Die meisten Pferde müssten demnach mehrmals täglich umgedeckt werden! Eine Decke darf niemals scheuern, auch nicht ein bisschen oder nur das Fell. Sowas ist immer unangenehm für das Pferd und einfach nicht fair. Wenn man schon so stark eingreift, sollte man bereit sein, das Geld auszugeben und unter Umständen viele Decken zu kaufen, um die optimale Passform für das eigene Pferd zu garantieren.
Wenn man sich das bewusst macht, ist so ein natürlicher Winterpelz vielleicht doch ganz reizvoll.
Hallo und vielen Dank für den tollen Beitrag!
Bis jetzt war ich auch absolut gegen das scheren. Meine junge Isi Stute schwitzt aber bereits vom nichts-tun im Herbst so sehr und die Wärme schlägt ihr furchtbar auf den Kreislauf.. Dieses Jahr war das so extrem dass sie von kurzen Galoppstreckem noch 40 Minuten später gepumpt hat ohne ende..
Ich möchte im Winter keine Stunde reiten und mache da echt zart.. aber die Plüschmonster sehen nach 3 Runden Schritt aus als ob man der größte Tierquäler wäre.
Daher werde ich sie wohl im nächsten Herbst scheren.. Aber nur am Hals und ein bisschen an der Brust. Ich bin mal gespannt wie es ihr dann geht und hoffe das verschafft ihr wirklich ein wenig Erleichterung. Vlg
Hey der Artikel ist Klasse geschrieben. Ich habe mein Shetty vor ca 2 Monaten also zu Beginn des Fellwechsels geschoren. Jetzt hat er wieder so viel Fell wie alle anderen und ich würde ihn sowieso viel lieber ohne Decke haben. Geht das noch oder ist die Fettschicht im Fell und somit der Wasserschutzund wärmeschutz bis zum Frühjahr Weg?
Hallo Julia, sofern dein Pony wieder genug Fell nachgeschoben hat, dass das Wasser gut ablaufen kann und eine trockene Unterwolle bleibt, sollte es kein Problem sein. Würde es am Anfang gut beobachten und eindecken, wenn es doch friert.
Ich finde die Nordfalben Seite super – z,B, fast alle meine Futterpflanzen, die ich den Sommer über frisch verfüttere, sind aufgeführt. Und es ist wohltuend zu lesen, dass im Winter die richtige Reitweise diese gemeine Fellschur überflüssig macht. Wir haben etliche Isländer auf dem Hof und die Mädels müssen auch im Winter so durch den Wald heizen, dass ihre Ponies triefnass sind, wenn sie sie nicht scheren. Das ist doch egomanische Scheiße. Schöne Grüße aus Karlsruhe von Andrea
[…] nee, ich wollte ja nicht scheren, um nicht ständig nach den Decken schauen zu müssen und den Ponys ihre Freiheit und natürliche […]
Hey! Dein Artikel ist sehr informativ! Haben Pferde (ungeschoren) denn auch kalt, wenn ihre Beine und der Bauch durch Pfützen auf dem Platz nass werden?
Liebe Grüße, Anna
Hallo, ich muss mich anschließen, dass ich die Heutonne interessant finde!:) Ziehen die Pferde zum Schluss dann das leere Heunetz aus der Tonne raus, oder ist das Heunetz innen in der Tonne befestigt..? LG Helen
Das Netz ist am oberen Rand komplett befestigt! =)
Wieder ein super Bericht den du da geschrieben hast 🙂
Mein Rentnerpony(<32 Jahre) brauchte letztes Jahr noch eine Decke im Winter(50gramm) damit er sich wohlfühlt, trotzt oder gerade wegen viel zu langem Fell("Hungerfell"), da er massive Stoffwechselprobleme hatte. Dieses Jahr kommen wir bis jetzt super ohne aus. Wir hatten jetzt seine reine Regendecke, die er letztes Jahr dauernd brauchte, nur ein paar Mal drauf als das Wetter draußen wirklich viel zu nass und kalt war(er ist sehr empfindlich im Rücken).
Man muss halt individuell gucken, wie du schon sagst, und dabei einfach die Grundkenntnisse wissen 🙂
Hallo Lina!
Ich habe deine Seite erst vor kurzem entdeckt.
Diesen Artikel finde ich super! Einfach erklärt, gut verständlich und sehr informativ. 🙂
Liebe Grüße
Ida Marie
Danke! =)
Hallo Lina,
Toller Artikel, aber ich habe eine ganz spezielle Frage, da ich mich gerade wie mit dem ledidigen Thema Wie verbessere ich meine Heufütterung rumschlage, habe ich eineetwas andere Frage Nicht böse sein !!!
Ich finde deine Heutonne super spannend. Wie genau funktioniert das ? Kommen die Ponys auch an das Heu in der Mitte.
Können sie damit kegeln ?
Liebe Grüße
Hallo Sabine,
danke =)
Die Heutonne ist unten mit 2 Säcken Beton gefüllt, dadurch steht sie sehr stabil. Theoretisch könnten sie sie wohl noch umwerfen, das ist aber bei keinem der Pferde bei uns im Stall bisher jemals passiert. Das Heu rutscht eigentlich sehr gut nach, einmal am Tag stopfen wir es aber ein wenig nach unten zur Sicherheit. Da die Fresslöcher sehr groß sind kommen sie aber mit ein bisschen Geschick auch problemlos bis in die Tonne rein. Ist aber eigentlich nie nötig.
Viele Grüße
Lina